Let‘s RPNow. The Dead-Simple Text-Based Roleplay Website – ein Erfahrungsbericht
Der Kontext der Erprobung:
In der letzten Woche habe ich in meinem Seminar „Klassiker mit Kindern und Jugendlichen lesen. Vorschläge für analogen und digitalen Unterricht“ RPNow ausprobiert.
Die den Seminarteilnehmer_innen gestellte Aufgabe stand unter dem Motto „Wozu Klassiker in der Schule?“. Ziel sollte es sein, dass sich die Seminateilnehmer_innen mögliche (unterschiedliche) Positionen zu diesem Thema überlegen (dies war schon durch einen Fragebogen in der Sitzung zuvor vorbereitet), sich eine Position aneignen und sich argumentativ dafür einsetzen.
Dazu hatte ich mir folgendes Setting überlegt: In ihren Rollen – u.a. anderem als Oberstudienrat an einem humanistischen Gymnasium, als Abiturientin und als Schulabbrecher und Bestsellerautor – waren die in fünf Gruppen eingeteilten Studierenden Teilnehmer_innen einer Diskussionsrunde im Fernsehen zum Thema „Klassiker der Weltliteratur als Schullektüre – ist das heute wirklich noch zeitgemäß?“.
Die Rollen der Erzählers wie des Moderators der Fernsehdiskussion habe ich selbst übernommen.
Das Setting einer fiktiven Diskussionsrunde im Fernsehen als Klärung unterschiedlicher Positionen habe ich nicht zum ersten Mal verwendet, wohl aber zum ersten Mal in dieser digitalen Form, meine bisherigen Erfahrungen beziehen sich auf real inszenierte Rollenspiele vor dem Plenum. So viel kann ich schon jetzt sagen: die digitale Variante war deutlich lebendiger – wohl weil die Studierenden sich nicht direkt vor dem Plenum exponieren mussten und durch das Schreiben am PC mehr in ihrer Rolle aufgegangen sind, quasi vergessen konnten, dass sie eben nicht der Oberstudienrat sind, sondern Teilnehmer_innen eines Seminars, vor dem sie gerade auftreten – und ich hatte durch die Verschriftlichung eine deutlich bessere Grundlage für Feedback.
Zur Durchführung:
Um das Rollenspiel durchzuführen, mussten sich mindestens fünf Seminarteilnehmer_innen bei RPNow anmelden. Vor der Einladung zum Team sind ein paar (sicher dem Datenschutz geschuldeten) Hürden aufgebaut: Auf Seiten des Einladenden gelten folgende Einschränkungen: Es muss der Name bekannt sein, unter dem der Einzuladende sich angemeldet hat, und es muss ein sogenannter Verification Code des Einzuladenden vorliegen. Auf Seiten des Einzuladenden gilt folgender Schutzmechanismus: Es muss auf der Startseite angeben werden, von welchen anderen Nutzern man Einladungen erhalten möchte.
Die Vorbereitung hatte also folgende Schritte: 1. Anlegen des RP. 2. Mail an die Seminarteilnehmer_innen mit der Bitte, sich anzumelden, mich als potentielle Einladende einzutragen und mir Nutzernamen und Verification Code per Mail zu senden. 3. Erst nach Erhalt der Mails konnte ich dann die Teilnehmer_innen einzeln anmelden. Dies funktionierte reibungslos, war aber doch für mich ziemlich zeitaufwendig.
Die eigentliche Durchführung klappte dann nahezu störungsfrei und schien den Studierenden auch Freude zu machen.
Am Ende der „Fernsehdiskussion“ konnte jeder Teilnehmer (= jede Gruppe) noch einmal ein letztes Statement abgeben. Dieses konnte ich nach Abschluss über Beamer an die Wand werfen und jeweils mit einem kurzen Feedback würdigen.
Das hat mir gefallen:
- Einfache, übersichtliche Oberfläche, ohne störende und/oder ablenkende Elemente –> die Konzentration liegt allein auf dem virtuellen Gespräch/der sich entwickelnden Geschichte.
- Das Gespräch/ die Geschichte kann für sofortiges Feedback und/oder für weitere Arbeit am Thema verwendet werden.
- Das Setting des Rollenspiels wirkte deutlich motivierend.
Das hat mich gestört:
- Die schwierige Anmeldung war einigermaßen zeitraubend.
- Getätigte Eingaben können zwar korrigiert, nicht aber gelöscht werden (auch nicht vom Admin).
Das scheint empfehlenswert:
- Vor Beginn sollten Spielregeln aufgestellt werden, z.B. „Abgeschickt wird erst, wenn der Moderator das Wort erteilt!“
- Besonders geeignet scheint RPNow für bis zu fünf Rollen, ansonsten könnte der Chat schnell unübersichtlich werden.
Mein Fazit
Wenn man die Hürden der Anmeldung aller Teilnehmer_innen einmal genommen hat, ist RPNow ein schönes Werkzeug, um mit einer überschaubaren Zahl von Teilnehmer_innen fiktive Diskussionen zu führen (vgl. dazu die Punkte „digitale Schreibumgebungen verwenden“ und computerunterstützt kommunizieren“ in M. Kepsers „digitalem Pflichtprogramm für den Deutschunterricht der Sekundarstufen“, Kepser 2018, S. 258-259 und 261-262).
Vorstellbar scheint auch das gemeinsame Verfassen einer Kettengeschichte, ganz im Sinne des Rollenspiels, bei der ein Schüler die Rolle des Erzählers übernimmt und weitere Schüler die Rolle einzelner Figuren übernehmen und wörtliche Figurenrede besteuern.
Ebenso vorstellbar ist die Inszenierung eines Gesprächs oder eines Chats unter Figuren eines literarischen Werks, bei dem dann jeweils die Rolle einer Figur eingenommen wird, im Sinne des digitalen handlungs- und produktionsorientieren Unterrichts.
Der Kreativität im Ersinnen von Einsatzmöglichkeiten ist sicher keine Grenzen gesetzt.
Das Urteil der Seminarteilnehmer_innen:
Vorteile:
- alle können mitarbeiten, Statements bleiben erhalten
- individuelle Ansichten werden frei und ohne Scham ausgesprochen bzw. reingeschrieben, sodass auch relativ leise SuS sich trauen, mitzuarbeiten
- nah an alltäglicher Lebenswelt der SuS (chatten)
- man hat Zeit, um sich Argumente auszudenken und muss nicht direkt reagieren
Nachteile:
- schwierig zu folgen, wird leicht unübersichtlich, gleichzeitig lesen, überlegen, absprechen, schreiben, man kann währenddessen nicht nochmal alles nachlesen
- nach gewisser Zeit werden SuS höchstwahrscheinlich unruhig
- zeitintensiver als analoge Variante/ Debatte
- evtl. auch missbräuchliche Nutzung durch einzelne (unpassende Nachrichten)
Website: https://www.rpnow.net/